Bildungskatastrophe 2.0 bewältigen!

NRW ist mitten in einer Bildungskatastrophe! Es braucht ein Sondervermögen für Investitionen in die Bildung und eine grundlegende Modernisierung des Schulsystems.

Die Bildungslage in NRW ist katastrophal: Eklatanter Lehrkräftemangel – zurzeit sind 8.000 Stellen unbesetzt –, überlastete Kolleg:innen am Ende ihrer Kräfte, hohe Krankenstände und massiver Unterrichtsausfall, marode Schulen, schlechte Schulleistungen vieler Schüler:innen – jedes vierte Grundschulkind kann am Ende der Grundschule nicht richtig lesen und schreiben – und gerade jene, die ohnehin unter (Bildungs-)Benachteiligung leiden, stehen besonders schlecht da, etliche von ihnen verlassen die Schule gar ohne Abschluss. Das jüngste PISA-Ergebnis und der IGB-Bildungstrend bestätigten das bereits bekannte Desaster noch einmal. Das Bildungssystem in NRW gehört im Bundesvergleich zu den Schlusslichtern, so das Ergebnis des Bildungsmonitors 2022 des arbeitgeberverbandsnahen Instituts Neue Soziale Marktwirtschaft. Bei den Bildungsausgaben pro Schüler:in rangiert NRW auf Platz 15 von 16 Bundesländern.

Das alles ist keineswegs neu. Als Reaktion auf die Proteste von Schüler:innen und Student:innen 2008 versprach die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Ausgaben für Bildung auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, 2018 haben wir von SchaLL.NRW – der Schutzgemeinschaft angestellter Lehrerinnen und Lehrer – die Bildungskatastrophe noch einmal beim Namen genannt. Die Wirtschaft klagt seit Jahren über die unzureichende Ausbildung von Schüler:innen und fehlende Fachkräfte. „Weltbeste Bildung“ kündigte die Landesregierung in der Vergangenheit vollmundig an – das ist geradezu ein Hohn angesichts der traurigen Realität. Der Blick zurück zeigt aber auch, dass wir es besser können: Vor 60 Jahren warnte der Pädagoge Georg Picht vor einer „Bildungskatastrophe“, acht Jahre später wurden neue Gesamthochschulen gegründet, heute hat NRW eine der dichtesten Hochschullandschaften. An diese Erfolgsgeschichte können und müssen wir mutig anknüpfen.

Es braucht vor allem zwei Dinge: richtig viel Geld für die notwendigen Investitionen in die Hand zu nehmen und der politische Wille, das System Bildung und Schule grundlegend zu modernisieren.

Der Lehrer:innenverband SchaLL.NRW fordert daher ein Sondervermögen von 25 Milliarden Euro für die Bildung in NRW.

Ist das aus der Luft gegriffen? Nein, das ist es nicht. Allein 50 Milliarden beträgt der bundesweite Investitionsstau bei den Schulgebäuden. In ihrer aktuellen Studie aus dem Jahr 2023 sieht der DGB einen gewaltigen Investitionsstau für NRW von insgesamt fast 160 Milliarden, viele davon fehlen im Bereich der Bildung. Die Initiative „Bindungswende jetzt!“ bringt für den Bund ein Sondervermögen für Kitas und Schulen von 100 Milliarden Euro ins Spiel. Ja, das soeben verabschiedete „Startchancenprogramm“ ist richtig, aber ein Tropfen auf den heißen Stein.

Jeder Euro in die Bildung ist eine Investition in die Zukunft – nicht nur für jede:n einzelne:n Schüler:in, sondern für das ganze Land, also für uns alle: 25 PISA-Punkte mehr in der Schülerleistung bringt ein Plus von fast 9 Billionen Euro in den kommenden 60 Jahren! So bereits die bundesweite Berechnung der beiden Bildungsforscher:innen Franziska Kugler und Ludger Wößmann 2019. Allein in NRW würde die Verbesserung in Mathematik zu einem Plus von 148 Milliarden Euro bis 2050 führen. Mehr Investition in Bildung wünschen sich 80 Prozent der Bevölkerung in Deutschland, wie eine Studie aus dem Jahr 2019 der Hans-Böckler-Stiftung bestätigt. Die finanzielle Aufteilung der Mittel für Bildung zwischen Bund, Ländern und Kommunen muss dringend neu verhandelt werden, dazu gehört die vollständige Aufhebung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern.

Es braucht dringend massive Investitionen in:

  1. Gleich gute Ausstattung aller Schulen in NRW unabhängig von der Finanzkraft der Kommunen sowie deren Umgestaltung zu einem modernen, attraktiven Arbeitsplatz.
  2. Schulneubauten, Schulsanierung und Schulmodernisierung (inklusive Barrierefreiheit).
  3. Räume und Personal der Offenen Ganztagsschule (OGS).
  4. Hochwertige und nachhaltige digitale Infrastruktur mit den entsprechenden personellen Ressourcen (es sind tausende IT-Fachkräfte notwendig).
  5. Befreiung der Lehrkräfte von unterrichtsfernen Tätigkeiten durch Verwaltungs- und IT-Fachleute, damit Lehrer:innen sich auf das Unterrichten konzentrieren können (hierfür braucht es 40.000 neue Stellen).
  6. Massive Qualifizierungsoffensive für den Quer- und Seiteneinstieg.
  7. Soforthilfe für die mehr als 1.800 Brennpunktschulen in NRW mit dem  Schwerpunkt Ruhrgebiet und deren Ausbau zu Familienzentren.
  8. Erhöhung der Gelder für Bildungsforschung.
  9. Einkommensgleichstellung zwischen angestellten und verbeamteten Lehrkräften.

Und ja, Geld allein reicht nicht, aber ohne Geld geht es auch nicht! Aber ja, es braucht noch mehr als Geld!

SchaLL.NRW fordert eine grundlegende Reform des Systems Schule:

  • Einrichtung eines unabhängigen Landesbildungsrates aus Schülerschaft, Lehrerschaft, Eltern und Wissenschaft, losgelöst von den organisierten Interessensgruppen.
  • Entkoppelung der Schulpolitik von Legislaturperioden.
  • Entfesselung der Schulen von überbordender Bürokratie.
  • Finanzierung der Schulen unabhängig von der Finanzkraft der Schulträger, damit nicht die Schüler:innen die Armut ihrer Kommune tragen müssen.
  • Beste Lern- und Arbeitsbedingungen für Schüler:innen und Lehrer:innen (das bedeutet übrigens auch Mobbing- und Gewaltprävention).
  • Wertschätzung und Chancengerechtigkeit für alle mit einem besonderen Blick auf die bildungsbenachteiligten Kinder und Jugendlichen.

 

Der SchaLL-Vorsitzende Stefan Nierfeld fordert deshalb:

„Wir brauchen jetzt einen „Notstandsgipfel Bildung“ in NRW mit dem Schwerpunkt auf die Metropole Ruhr – hier sind die meisten Brennpunktschulen, hier sind die meisten armuts- und bildungsbenachteiligten Schüler:innen, hier braucht es neue Chancen. Davon profitieren am Ende alle!“

Dieser Notstandsgipfel muss gemeinsam und Schulter an Schulter mit den wichtigsten Vertreter:innen in NRW ausgerichtet werden, z.B.

  • Lehrer:innenverbände
  • Schüler:innenverbände
  • Elternverbände
  • Universitäten
  • Handwerkskammern
  • Industrie- und Handelskammern
  • Wirtschaftsverbände
  • Kommunale Spitzenverbände
  • Städte- und Gemeindebund
  • Regionalverband Ruhr