Arbeitsplatz Schule attraktiv machen!

Der Lehrberuf muss attraktiv sein! Das bedeutet einen wertschätzenden Umgang mit allen Lehrkräften. Dazu zählt auch die Reduktion der Deputatstunden und die radikale Entlastung von unterrichtsfernen Tätigkeiten, z. B. durch ein Backoffice für Verwaltungsaufgaben und weitere Arbeiten. Außerdem müssen alle Schulen und Gebäude in NRW gleich gut, modern und zukunftssicher - unabhängig von der Finanzkraft der Kommunen - ausgestattet sein.

Schulen brauchen mehr Freiheit und Autonomie bei ihren Entscheidungen. Schulen brauchen mehr Demokratie, konkret bei der Wahl der Schulleitung.

Lehrkräfte leisten 9 Überstunden pro Unterrichtswoche – unbezahlt!

Lehrkräfte arbeiten im Schnitt 50 Zeitstunden pro Unterrichtswoche! Ein Drittel davon ist Unterricht, ein weiteres Drittel sind unterrichtsnahe Tätigkeiten und ein ganzes letztes Drittel sonstige Tätigkeiten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Expertise von Mark Rackles, ehemaliger Staatssekretär für Bildung im Senat von Berlin, im Auftrag der Deutschen Telekom Stiftung im April 2023. Die Kolleg:innen arbeiten also 9 Stunden pro Unterrichtswoche mehr, umgerechnet auf das Jahr inklusive Schulferien bleiben immer noch 4 Stunden mehr als die 41 Wochenarbeitsstunden, die der Tarifvertrag der Länder vorsieht. Doch diese Überstunden werden gar nicht erst erfasst, erst recht nicht bezahlt. Laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber aber die Pflicht, die Arbeitszeit der Beschäftigten zu erfassen (vgl. EuGH – Urteil C-55/19 bzw. BAG-Urteil 1 ABR 22/21), die dann auch bezahlt werden müsste.

43 % der Lehrkräfte in NRW arbeiten derzeit in Teilzeit. Wer mehr von ihnen freiwillig in die Vollzeit bringen möchte, braucht ein überzeugendes Angebot. Wer dieses mit Zwang und Drohung der Erhöhung der Arbeitszeit tut, riskiert den Schulfrieden, erzeugt noch mehr Frust und Krankenstände, treibt Kolleg:innen in den vorzeitigen Ruhestand.

Überstunden befördern die chronische Überlastung der Kolleg:innen

Die strukturelle Mehrarbeit von 9 Stunden pro Unterrichtswoche verstößt auch gegen den Arbeits- und Gesundheitsschutz. Diese Überstunden Woche für Woche sind ein Mitgrund für die chronische Überlastung vieler Lehrkräfte. Und diese Überlastung führt zu mehr Teilzeit. Denn viele Kolleg:innen sagen: „Um meinen Job wirklich gut machen zu können, um ihn überhaupt zu schaffen, kann ich nicht Vollzeit arbeiten, denn ich arbeite auch in Teilzeit schon Vollzeit“. Die Überlastung ist ein Mitgrund für den hohen Stresslevel bei Lehrkräften, im schlimmsten Fall für Burnouts von Kolleg:innen.

Eine aktuelle Studie des medizinischen Zentrums der Universität Rostock belegt: Lehrkräften, die mehr als 45 Stunden in der Woche arbeiten, fehlt die Zeit zur Erholung, sie fühlen sich chronisch erschöpft. Die COPSOQ-Studie belegt die psycho-soziale Belastung der Lehrer:innen; zu den Hauptbelastungen gehört die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben. Das ist kein Wunder angesichts der überbordenden Arbeitsbelastung. Denn auch die eigene Familienarbeit inklusive Care-Aufgaben für Kinder und ältere Angehörige muss während der Unterrichtswochen bewältigt werden. Nicht besetzte Stellen, hohe Krankenstände und der damit verbundene Unterrichtsausfall – all das ist eine Folge, unter der dann zuvorderst die Kinder und Jugendlichen leiden müssen. Es ist ihr Unterricht, der nicht in vollem Umfang und nicht mit voller Kraft geleistet werden kann. Für die Kolleg:innen, die für erkrankte Lehrkräfte einspringen, bedeutet dies zusätzliche Belastung. Ein Konzept zur Verbesserung der Arbeitsstrukturen fehlt bis heute!

Deputatstunden reduzieren, statt sie zu erhöhen!

Die Zahl der Deputatstunden für Lehrkräfte ist in Deutschland im europäischen Vergleich besonders hoch. Seit 150 Jahren wird Schule hierzulande allein über Deputatsstunden definiert, ein mehr als veraltetes Modell. Entsprechend wenig Zeit bleibt für die individuelle Förderung und Beratung von Schüler:innen, den fachlichen Austausch mit Kolleg:innen und die eigene Weiterbildung. Dies sind aber zentrale Bestandteile unseres Berufs, die die Qualität von Schule und Unterricht und den Lernerfolg der Schüler:innen entscheidend mitbestimmen.

Der Lehrkräftemangel erhöht den Druck auf die Schulen, es wird eine Erhöhung der Deputatsstunden ins Spiel gebracht – das aber widerspricht dem Arbeits- und Gesundheitsschutz und der Forderung nach neuen pädagogischen Konzepten. Statt mehr Druck braucht es weniger Druck, statt mehr braucht es weniger Deputatsstunden. Nur so wird Schule zu einem guten Arbeitsumfeld für Lehrkräfte und Schüler:innen.

SchaLL fordert deshalb, die Deputatsstunden zu reduzieren, statt sie zu erhöhen! Wie kann das gehen? Durch die Einstellung von mehr Lehrkräften, auch von qualifizierten Quer- und Seiteneinsteigern, das ist auch der Vorschlag des Bildungsexperten Mark Rackles. Auch die Überarbeitung, Entschlackung und Umgestaltung der Lehrpläne ist eine Option. Der Bildungsexperte Andreas Schleicher verweist darauf, dass Schüler:innen in Deutschland zwar gut im Reproduzieren sind, aber nicht gut im kreativen, eigenständigen Denken. Schule und auch Lehrpläne neu zu denken ist also ohnehin angesagt!

Es braucht die Entlastung der Lehrkräfte von unterrichtsfernen und unterrichtsfremden Tätigkeiten!

Es braucht die Entlastung von „sonstigen Tätigkeiten“ – bürokratischen, organisatorischen und auch pädagogischen Aufgaben, für die eigentlich Schulpsycholog:innen und Schulsozialarbeiter:innen besser ausgebildet sind, die aber fehlen. Ohne die nachweisbare Entlastung aller Lehrkräfte von unterrichtsfernen Zusatzaufgaben wird es nicht gelingen, dass die Kolleg:innen freiwillig aus der Teilzeit kommen. Das Gegenteil ist jetzt schon der Fall. Viele Lehrkräfte verabschieden sich in den vorzeitigen Ruhestand. Immer mehr jüngere Lehrkräfte steigen aus. Immer weniger Lehramtsstudierende kommen in den Schulen an. Was macht die Landesregierung? Sie erschwert den Kolleg:innen schlicht das Anrecht auf , Teilzeit. Das einzige Mittel, mit der Überlastung klar zu kommen, sich Freiräume zu schaffen, wird erst einmal administrativ geprüft, die betroffenen Kolleg:innen auch noch unnötig gegängelt.

SchaLL.NRW fordert: 20.000 Stellen für die Assistenz der Lehrkräfte!

In Nordrhein-Westfalen gibt es 174.000 Vollzeitstellen für 5.404 Schulen. Auf jeder Stelle arbeiten Kolleg:innen 9 Zeitstunden pro Unterrichtswoche, 4 Zeitstunden auf das Jahr gerechnet, mehr. Das entspricht umgerechnet rund 17.000 Stellen, die bisher Woche für Woche eingespart werden. Wenn die tatsächliche Arbeit einmal erfasst würde, bräuchte es deutlich mehr Lehrkräfte, wie auch der Bildungsexperte Mark Rackles feststellt. Doch die gibt es nicht!

SchaLL NRW fordert daher 20.000 neue Stellen für die Lehrkräfte-Assistenz – eine komplett neue Personaldecke für das Backoffice! Umgerechnet erhielte damit jede Lehrkraft knapp fünf Zeitstunden Unterstützung pro Woche.

Lehrkraft-Assistenten könnten Kolleg:innen bei der täglichen Arbeit unterstützen, etwa bei

  • Vor- und Nachbereitungen des Unterrichts,
  • Vorbereitungen von Unterrichtsräumen,
  • zahlreichen Verwaltungsaufgaben,
  • Koordination von Terminen in und außerhalb der Schule,
  • Pausenaufsicht und
  • der Organisation von Schulfesten und Klassenfahrten.

 

Die Lehrkraft könnte sich wieder auf den Unterricht und die Erziehung der Schüler:innen konzentrieren. Diese neue Personaldecke würde Lehrer:innen spürbar entlasten, gäbe ihnen Zeit und Kraft für einen guten Unterricht, die individuelle Förderung und die pädagogische Arbeit mit Schüler:innen, denn das ist die zentrale Aufgabe des Lehrberufes! Eine solche neue Personaldecke der Lehrkräfte-Assistenz wäre nicht zuletzt auch ökonomisch effizienter, als Lehrkräfte einzustellen und diese dann mit unterrichtsfernen Tätigkeiten zu belegen.

Mehr Entscheidung in die Schulen, mehr Autonomie für Schulen

In den Niederlanden werden 89 % aller Entscheidungen in den Schulen vor Ort getroffen, in Deutschland lediglich 13 %, so der OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher. Entscheidungen in und über Schule passieren zudem zu häufig von oben nach unten. Die Hauptursache für die Schulmisere liegt nach Ansicht von Thomas de Maizière, ehemaliger Bundesinnenminister und jetzt Vorsitzender der Telekom Stiftung, in den auf viele Köpfe verteilten Zuständigkeiten: Bei Entscheidungen für Schulen mischen zu viele mit – neben der eigentlichen Schulleitung auch Schulträger und Schulaufsicht. Hinzu kommt: Die Schulen in Deutschland ersticken an Vorschriften. Statt Eigeninitiative zu stärken, geht es bislang primär darum, Vorschriften zu folgen, Vorgaben korrekt umzusetzen.

Das gilt auch für die Suche nach Personal. Bei Lehrkräften ist bislang die Bezirksregierung Herr des Verfahrens, sie entscheidet darüber, wer überhaupt auf der Liste der Bewerber:innen steht und welche Kriterien bei der Auswahl zählen (bislang ist das vor allem die Examensnote). Bei der Suche nach Hausmeister:innen entscheidet der Schulträger.

SchaLL NRW fordert: Schulen brauchen mehr Entscheidungsspielraum. Es gilt, Ideen, Initiativen, Freiräume und Lösungsansätze vor Ort zu fördern, statt sie auszubremsen. Es braucht Vertrauen und Zutrauen, dass Schulen vor Ort ihre eigenen Belange regeln können, ihre Wege und Ziele selbst festlegen können.

Schulleiter:innen müssen frei entscheiden können, welche Mitarbeiter:innen mit welchen Qualifikationen die Schule braucht. In größeren Schulen brauchen Schulleiter:innen zu ihrer Entlastung eine Verwaltungsleitung für die nicht-pädagogische Schulorganisation (z.B. für Personal- und Einsatzpläne, die Infrastruktur usw.). Zur Schulautonomie gehört auch die weitreichende Budgetfreiheit für den zielgerichteten und bedarfsorientieren Einsatz der materiellen Mittel und personeller Ressourcen. Die Schule muss entscheiden können, ob sie einen neuen Musikraum braucht, die IT-Infrastruktur verbessert wird oder das kaputte Dach repariert werden muss. Das geht bislang alles über Dritte.

Wir schlagen vor: Das Ganze entscheidet die Schulleitung nicht allein, sondern gemeinsam mit dem gewählten Lehrerrat. Gelebte Schulautonomie heißt nicht mehr Einzelentscheidungen über Köpfe hinweg, sondern mehr Einbindung der Lehrkräfte und Schüler:innen. Für die Weiterentwicklung der Schulen ist auch das Feedback abgehender Schüler:innen wichtig, so wie das in Kanada schon praktiziert wird.

Das bedeutet auch die Änderung der Rolle der Bezirksregierung – weg vom Regulieren, Delegieren, Kontrollieren und Bevormunden hin zu einem Selbstverständnis als kooperative Unterstützung und Begleitung von eigenverantwortlichen Schulen. Der Wegfall von Bürokratie, administrativer Zuständigkeiten und vieler Vorschriften brächte für sie auch eine Arbeitserleichterung mit sich. Denn auch die Mitarbeiter:innen der Bezirksregierungen leiden an Arbeitsüberlastung.

Mehr Demokratie in unseren Schulen wagen – Schulleiter:innen demokratisch wählen!

Schulautonomie bedeutet einen deutlichen Machtzuwachs für die Schulleitung. Deshalb braucht es hier mehr Demokratie und demokratische Legitimation. Am Beispiel der Fachbereiche an Hochschulen und Universitäten kann man ablesen, wie das gehen kann. SchaLL fordert die demokratische Wahl der Schulleiter:innen durch das Gremium der Schulkonferenz. Unser Vorschlag ist, die Amtszeit auf jeweils fünf Jahre zu begrenzen, dann muss neu gewählt werden. Der/die bisherige Schulleiter:in ist eingeladen, sich erneut zur Wahl zu stellen. Wie in der parlamentarischen Demokratie üblich, muss es umgekehrt auch möglich sein, die Schulleitung z.B. mit einer qualifizierten 2/3 Mehrheit der Schulkonferenz ggf. abzuwählen - auch wenn das sicher und hoffentlich eine Ausnahme bleiben sollte.

Mehr Schulautonomie und mehr schulische Demokratie wären ein Gewinn für alle und kostet kein Geld!

Aber etwas kostet doch Geld: Die gute und gleich gute Ausstattung der Schulen. Wie in unserem Positionspapier zur Bildungskatastrophe 2.0 beschrieben, braucht das Schul- und Bildungssystem in Nordrhein-Westfalen ingesamt ein Sondervermögen für Investitionen in die Bildung und eine grundlegende Modernisierung von Schulen in Höhe von 25 Mrd. Euro.

Hinsichtlich vieler Schulgebäude ist bekannt, dass sie

  • in einem maroden Zustand sind,
  • nicht klimagerechten Baurichtlinien entsprechen,
  • durch hereinregnendes Wasser beeinträchtigt sind,
  • Schultoiletten in einem desaströsen Zustand vorweisen,
  • Arbeitsräume für Schüler:innen und Lehrer:innen vorhalten, die unattraktiv sind,
  • nicht mit digitaler Infrastruktur (u.a. W-LAN) ausgestattet sind,
  • fehlende Chemie- und Musikräume haben und
  • der Sportunterricht mangels Sportplätzen, Turnhallen und Schwimmbädern ausfällt.

 

Alle diese bei weitem nicht vollständig aufgezählten Mängel sind hinlänglich bekannt und beklagt. Schlicht und einfach fehlt es den Kommunen am Geld für Sanierung und Modernisierung.

Aber der Zustand der Schulgebäude und die Ausstattung der Schulen ist keineswegs überall gleich mies: Schulen in armen Kommunen müssen mit weniger Geld auskommen als Schulen in reichen Kommunen. Die Möglichkeiten und Chancen der Kinder und Jugendlichen und die Qualität des Arbeitsplatzes der Kolleg:innen hängt bisher von der Finanzkraft ihrer Kommune ab. Das ist ein Unding! Die gute Ausstattung der Schulen als Arbeitsplatz darf nicht von der Postleitzahl der Schulträger abhängig sein.

SchaLL fordert: Die Finanzierung der Schulen muss unabhängig von der Finanzkraft der Schulträger sein! Es braucht ein gutes und gleich gutes Lern-, Lehr- und Arbeitsumfeld für Schüler:innen und Kolleg:innen. Auch in einer guten und gleich guten Ausstattung zeigt sich die Wertschätzung und Anerkennung des Berufsstands durch den Arbeitgeber!